Staatstheater Mainz: Maria Stuart

Maria Stuart (Staatstheater Mainz): Graf Aubespine (Denis Larisch), Baron von Burleigh (Sebastian Brandes),  Elisabeth (Hannah von Peinen), Graf Bellievre (Julian von Hansemann) © Andreas Etter
kulturfreak Bewertung: 4 von 5

Wie wird mit Macht umgegangen? Nach welchen Prinzipien soll ein Machtinhaber entscheiden? Nach seinen eigenen Regeln, nach der Stimme des Volkes, nach ethischen Maßstäben oder einfach gesetzeskonform? Diese Fragen sind nicht nur in Zeiten von Erdogan, Merkel, Putin und Trump interessant. Schon Friedrich Schiller veranlassten sie im Jahr 1800 zu seinem Trauerspiel Maria Stuart, das mit Historischem und Fiktivem das Duell zweier starker Frauen, zwischen Maria Stuart, der katholischen Königin von Schottland und Elisabeth, der anglikanischen Königin von England, thematisiert.

Das Staatstheater Mainz eröffnete damit die neue Theaterspielzeit im Großen Haus, die sich mit den Themen Macht, Herrscherwillkür und Demokratie auseinandersetzt und danach fragt, wie eine gesellschaftliche und politische Wirklichkeit verstanden werden kann, wo Informationen zwar im Übermaß, aber immer diffuser, auf uns eindringen.

Regisseur Dariusch Yazdkhasti, der sich am Staatstheater Mainz im vergangenen Jahr mit Henrik Ibsens Ein Volksfeind vorstellte, gelang mit Schillers Klassiker eine spannende Inszenierung, für die es am Ende der pausenlosen gut zweistündigen Premiere lang anhaltenden kräftigen Applaus gab (ohne Buhrufe für die Regie). Gleich zu Beginn zeigt er ungewohnte Härte, wenn der Gehilfe Paulets, Drugeon Drury, brutal auf Maria Stuarts Amme Hanna Kennedy (standhaft: Andrea Quirbach) einschlägt, bis sie im Gesicht blutet. Bis zur großen Szene des Aufeinandertreffens von Elisabeth und Maria Stuart folgen dann aber zunächst zahlreiche trockene Dialogszenen. Mit dem Streit zwischen den Rivalinnen um den Königsthron nimmt das Drama Fahrt auf und nun überschlagen sich die Ereignisse nahezu.

Auch die Bühne von Anna Bergemann überzeugt. Sie zeigt mit einfachen Mitteln große Optiken und changiert geschickt zwischen Schloss Fotheringhay, dem Ort, an dem Maria Stuart gefangen gehalten wird, und dem Palast zu Westminster, in dem Elisabeth residiert. Zunächst fließen per Videoprojektion Schlieren die Rückwand im Schloss Fotheringhay herab. Sie können für geflossenes Blut, wie für verflossene Tränen, stehen, beides gab es im Elisabethanischen Zeitalter ja zur Genüge. Später tragen sämtliche Wände diese Spuren, auch die sich fluchtartig nach hinten verengenden bis zu sieben Portale im Palast zu Westminster. Sie vermitteln, dass hier weder Maria Stuart noch Elisabeth wirklich freie Menschen sind. Live Videoprojektion einzelner Gesichter lassen diese sehr nah erscheinen (Video: Konrad Kästner) und erhöhen so die dramatische Wirkung.
Mit historischen Bezügen warten die Kostüme von Josephin Thomas auf, bei denen die eleganten Abendkleider für Maria Stuart und ihrer Zofe (trotz Gefangenschaft war ihr ein standesgemäßes Leben möglich) besonders herausstechen. Und natürlich das prachtvolle Reifkleid Elisabeths, die mitsamt ihrer rötlichen Perücke (die sie mehrfach abnimmt), dem Bild der „jungfräulichen Königin“ entspricht.

In der Titelrolle verkörpert Anika Baumann eine leidenschaftliche, kämpferische und selbstbewusste Maria Stuart mit vielen Facetten. Mit passender Attitüde gibt Hannah von Peinen die sie schließlich besiegende Elisabeth. Es macht richtig Spaß, in ihrem Gesicht zu lesen, so vielschichtig und ergreifend setzt sie Gefühle, Ratio und Seelenlagen um. Henner Momanns Robert Dudley, Graf von Leicester, wirkt charmant, klug und vital, so ist es kein Wunder, dass er ein Favorit Elisabeths ist, selbst wenn der Verdacht der Untreue auf ihm lastet. Aus der zweiten Reihe agiert geschickt der Großschatzmeister Wilhelm Cecil, Baron von Burleigh, des Sebastian Brandes. In Mehrfachrollen: Denis Larisch (als Ritter Amias Paulet und als mit französischen Akzent sprechender Graf Aubespine) und Julian von Hansemann (als liebestoller Mortimer und als Graf Bellievre).

Die Exekution Maria Stuarts wird lediglich durch einen umgeworfenen Hocker angedeutet, ihre nicht Ruhe geben wollende Amme wird kurzerhand erschossen. Im sich langsam verdunkelnden Schlussbild geht Elisabeth einsam in das Innere ihres Palastes zurück und wirft indirekt die eingangs aufgeführte Frage auf, nach welchen Prinzipien regiert werden sollte, damals wie heute.

Markus Gründig, August 18

Besuchte Vorstellung: 25. August 18 (Premiere)